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Artikel, Zitate und Infos stammen aus der Funk-Technik, der Funkschau, den RTMs, Kameramann, der FKT, den Schriften von Philips und Zeiss Ikon und Anderen. Mehr über die verfälschten historischen Informationen ab 1933 über 1945 bis weit in die 1980er Jahre.

aus der FUNK-TECHNIK Nr. 06/1950 (2. März Heft)
Das Editorial

Nr. 6/1950 - 5. JAHRGANG - CHEFREDAKTEUR CURT RINT

Die Iden des März - über das Wellen­chaos

Schon vor fast 2000 Jahren hat dieser Tag den europäischen Völkern umwälzende Ereignisse beschert. Wurde damals dem Wirken eines großen Staatsmannes und Feldherrn durch Gewalt ein Ende gesetzt, ein Geschehen mit weitreichenden Folgen, so sind die Auswirkungen des diesjährigen 15. März nicht weniger bedeutungsvoll!

Nun soll das Netz der euro­päischen Rundfunkstationen einer neuen, besseren Ordnung zugeführt werden. Besseren --------- ? ja, dies war das Ziel, zu dem sich im Juni 1948 in Kopenhagen 33 Nationen unseres Kontinents zusammensetzten, um dem Chaos ein Ende zu machen, das die seit Festlegung des letzten Wellenplanes (Luzern 1933) verflossenen Jahre mit sich gebracht hatten.

Weltweit einig über die Notwendigkeit

Vor etlichen Jahren schon hatte man die Notwendigkeit er­kannt, die in allen Ländern steigende Zahl von Rundfunk­sendern des Mittel- und Langwellenbandes in eine passende Ordnung zu bringen. Eine Europäische Rundfunkkonferenz stellte in Montreux 1939 einen Plan fertig, der 1940, ebenfalls an einem Märztag, in Kraft treten sollte. Doch es kam nicht mehr dazu. Man dachte an keinen Wellen Wechsel mehr.

So war es natürlich, daß die Weltnachrichtenkonferenz in Atlantic City 1947 auch Maßnahmen vorsah, um endlich das Wellen­chaos in Europa zu entwirren. Über 360 Sender wollten auf den 139 verfügbaren Kanälen untergebracht werden! Zu den sachlich-technischen Meinungsverschiedenheiten kamen poli­tische, so daß letztlich in Kopenhagen ein Vertrag entstand, der formell von nur wenigen Staaten ratifiziert wurde. So blieb die Frage seiner Durchführbarkeit lange Zeit, vollkommen offen.

Deutschland steht hinten dran

In Deutschland, das bei der Wellenverteilung besonders be­nachteiligt worden war, nahm die Unruhe eingeweihter Kreise laufend zu, zumal es selbst in Kopenhagen nicht vertreten war und die Besatzungsmächte für Deutschland auch nicht verbindlich gesprochen haben wollten. Wer sollte nun Antwort geben auf solche Fragen wie: Ist der Plan für uns bindend, gilt er überhaupt, wird sich jemand nach ihm richten?

Die Unsicherheit blieb bis in die ersten Wochen des Jahres 1950 hinein. Noch herrschte die Meinung vor, daß der Kopen­hagener Plan nicht zum Leben gebracht werden könne, die durch viele berufene Autoritäten mit juristischen und ähn­lichen Argumenten gestützt wurde. Tages- und Fachpresse diskutierten, die Rundfunkhörer wurden ständig in Atem ge­halten und verwirrt durch zahlreiche widersprechende Schlag­worte.

Schwammige Aussagen

Wenn auch noch im Herbst 1949 das Büro der UIT in Genf auf die Frage nach dem Inkrafttreten des Kopenhagener Plans eine unklare, diplomatisch abgefaßte Antwort geben mußte, so begannen jedoch Ende 1949 die ersten Rund­schreiben darüber zu zirkulieren. Verschiedene europäische Verwaltungen brachten Wünsche auf Änderungen vor oder erklärten auch bereits ihre unbedingte Bereitschaft, den Plan am Stichtag einzuführen. Trotz alledem blieben wichtige Punkte ungeklärt. Endlich, im letzten Augenblick, vier Wochen vor dem vorgesehenen Stichtag, jagten dringlichste Telegramme zwischen Genf und allen Verwaltungen hin und her.

Drei Fragen standen zur Diskussion, deren eine lautete: Sind Sie in der Lage, die Frequenzen Ihrer Rundfunkstationen am 15. März auf die im Kopenhagener Plan vorgesehenen Werte zu bringen? Und siehe, es zeigte sich, daß 23 von ins­gesamt 27 Ländern, die antworteten, diese Frage bejahten. Damit ist trotz aller negativen Voraussagen die Geburt der neuen Wellenordnung doch geglückt. Die Iden des März haben eine neue Bedeutung in der Geschichte unseres Kontinents erhalten!

Was geschieht in Deutschland ?

Hier reißen die Fragen, auf die es keine klare Antwort gibt, noch immer nicht ab. Acht Wellen stehen uns zur Verfügung. Bisher arbeiteten aber allein in einer der vier Zonen schon neun Sender auf getrennten Wellen! Eine Zusammenlegung wird unumgänglich sein. Wenige Tage vor dem 15. März zeichnete sich die neue Ord­nung klarer ab. Der NWDR gab bekannt, daß er mit seinen Sendern auf die zugewiesenen Frequenzen geht.

und in Frankreich ?

Auch die Sender der französischen Zone benutzen die für sie vorge­sehenen Wellen. Die amerikanische Militärregierung stand dem Plan bis zur letzten Minute am kritischsten gegenüber. Auf Frequenzänderungen ihrer Stationen mußte man sich je­doch trotzdem gefaßt machen, da sie schon aus Rücksicht auf ihre Hörer die Welle so verschieben müssen, daß eine geringste gegenseitige Störung mit fremden, die gleiche Frequenz benutzenden Sendern eintritt. Sicherlich werden zusätzlich zu den beiden zugeteilten Wellen so viele andere verwendet, wie getrennte Programme in der amerikanischen Zone ausgestrahlt werden.

und die SBZ, also die Ostzone

Auch die Sender der sowjetischen Besatzungszone stellten zum größten Teil um, der Rest ist vorübergehend stillgelegt. Zwischenstaatliche Schwierigkeiten ergeben sich allerdings noch bei den Abschnitten des Rundfunkbereichs, die ihm erst neu zugebilligt wurden. Sie werden z. Z. noch von Flug- bzw. Seefunkstationen benutzt. Es müssen nun Maßnahmen ge­troffen werden, diese Dienste möglichst jetzt schon in die zukünftig dafür vorgesehenen Bänder zu verlegen.

Diese Auf­gabe muß einem zwischenstaatlichen Gremium übertragen werden, über dessen Zusammensetzung z. Z. noch einige Mei­nungsverschiedenheiten bestehen. Fast alle Länder aber sind sich in dem Bestreben einig, zumindest durch behelfsmäßige Verlagerung der Nicht-Rundfunk-Dienste die Durchführung des Kopenhagener Plans zu ermöglichen, bis umfassende Be­schlüsse getroffen sind und auch eine günstigere Jahreszeit die reibungslose endgültige Umstellung erlaubt.

Die Schwelle des 15. März haben wir nun überschritten. Wenn wir jetzt wehmütig die nun unwiderruflich veraltete Skaleneichung unseres Empfängers betrachten, fragen wir uns: Wird es uns bald gelingen, an dieser Stelle wieder eine Glasscheibe zu besitzen, die uns ebenso sicher und präzise den Weg durch die verwirrende Vielfalt des Äthers weist, wie wir es früher von ihr gewohnt waren? Wir werden uns noch geraume Zeit gedulden müssen, bis die Wogen ge­glättet sind und sowohl die Willigen wie die Unwilligen am neugedeckten Tisch der europäischen Rundfunkgemein­schaft ihr zugewiesenes oder selbst erwähltes Plätzchen eingenommen haben. Dr. D.

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